Burger Journal 09 - April 2023

halb lebte, gehörte bestenfalls zur neu geschaffenen Kategorie der Ausburger. Diese Unterscheidung wurde wie bei anderen Stadtgründungen auch in Burgdorf zum vorerst trennenden Prinzip zwischen Stadt- und Landbevölkerung. Jedenfalls hatte die neu gegründete Stadt eine Sogwirkung und wurde schon sehr bald zu eng. Nach dem Tod des letzten Zähringers Berchtold V. 1218 und einem jahrelangen Erbstreit übernahm schliesslich die Grafenfamilie der Kiburger das Zepter in unserer Gegend. Das zähringische Erbe, das die Kiburger übernahmen, umfasste einen gewaltigen Besitz weit über die Stadt hinaus. Dazu gehörten etwa das angrenzende Amt Gutisberg, das über Heimiswil, und Wynigen bis nach Herzogenbuchsee reichte, und das Amt Emmental bis fast nach Signau hinauf. Dazu die Ämter Jegenstof und Utzenstorf und natürlich zahlreiche Schupposen (Bauerngüter) um Burgdorf herum. Die neuen Herren liessen sich auf der Burgdorfer Burg nieder und initiierten vermutlich schon nach kurzer Zeit Änderungen und Vergrösserungen an Burg und Stadt. ZWEI STADTERWEITERUNGEN Irgendwann zwischen 1225 und 1250 wurde die Stadt auf Initiative der neuen Stadtherren ein erstes Mal erweitert. Die genauen Gründe dafür sind nicht dokumentiert. Es ist aber zu vermuten, dass die Gründungsstadt bereits zu klein wurde und dass die Kiburger mit der Erweiterung einerseits die politische aber auch die wirtschaftliche Bedeutung Burgdorfs als Marktort und Handelszentrum ausbauen wollten. Vor den Toren der ursprünglichen Stadt war nämlich bereits kurz nach der Stadtgründung ein wachsender «vorstädtischer» Markt, an der Gabelung der Strassen entstanden. Vielleicht stand dieser Markt sogar in Konkurrenz mit dem Marktgeschehen innerhalb der Stadtmauern. Darüber hinaus mussten bereits vor der Erweiterung mindestens zwei repräsentative Adelshöfe ebenfalls ausserhalb der Stadtmauern in unmittelbarer Nähe der Stadttore bestanden haben. Hier wohnten die im Dienst der Kiburger stehenden Ministerialen «von Rütschelen» und die «von Eriswil». Die beiden «prominenten» Bauten von einflussreichen «Edelknechten», die im Auftrag der Herrschaft wohl auch wichtige Ämter innehatten, sind ein starkes Indiz dafür, dass die Stadterweiterung nicht auf Initiative der Bürgerschaft, sondern auf Anordnung der Kiburger vorgenommen wurde. Dafür spricht auch die Tatsache, dass es in jenen Jahrzehnten und bis kurz vor der Handfeste von 1273 noch keinerlei Anzeichen für kommunale, bürgerliche Mitbestimmung gab. HANDEL IN DER OBERSTADT OST UND GEWERBE AM HOLZBRUNNEN Mit der Stadterweiterung Oberstadt Ost wurde die Lücke zwischen Gründungsstadt und dem Burgareal geschlossen. Sie bezog zudem die wichtige Wegkreuzung, an der sich wohl ein reges Markttreiben entwickelt hatte, mit ein. Hier, an der heutigen Hohengasse, entstand in der Folge das eigentliche Markt- und Handelszentrum, das für die weitere Entwicklung Burgdorfs von grösster Bedeutung war. In einer weiteren Ausbauphase, welche die Kiburger bereits um 1250 starteten, wurde die Gewerbesiedlung zu einem regelrechten Stadtquartier im heutigen Kornhausquartier entwickelt. Mit dieser Erweiterung wurde das ummauerte Stadtgebiet nahezu verdoppelt. Die Gewerbesiedlung Holzbrunnen als befestigte Stadterweiterung auszubauen war wohl recht naheliegend, denn sie wurde im Lauf der wirtschaftlichen Entwicklung zu einem wichtigen ökonomischen Faktor für die Stadtherren. Zudem wollten die Kiburger angesichts ihres bereits schwelenden Konflikts mit Bern die exponierte, ungeschützte Siedlung nicht unbefestigt lassen. Eine Ummauerung zum Schutz vor Bernischen Angriffen war dringend notwendig. Dementsprechend wurden die Bauarbeiten zur Realisierung des neuen Stadtquartiers offensichtlich rasch vorangetrieben. Der Stadtgraben im Norden war schnell ausgehoben. Doch vermutlich trat nach dem Tod des Kiburgers Hartmann V. im Jahre 1263 ein Unterbruch der Arbeiten ein. Zur Zeit der Machtübernahme von Eberhard von Habsburg-Laufenburg und der Handfeste von 1273 war die Stadtmauer jedenfalls noch nicht fertig gebaut, so dass der Holzbrunnen rechtlich gesehen noch nicht zur Stadt gehörte. Erst 30 Jahre später wurde der neue Stadtteil als zur Gesamtstadt zugehörend bestätigt und damit dessen Bewohner den erteilten Stadtrechten unterstellt.

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