Burger Journal 02 - September 2019

1179 offiziell beschlossen, dass Leprakranke ausser­ halb der Städte zu isolieren seien. Gleichzeitig erlaub­ ten sie die Einrichtung von Kirchen und die Anstellung von Geistlichen zur Betreuung der Gemeinschaften der «Aussätzigen». Dementsprechend wurde eben nicht nur das Siechenhaus betrieben, sondern auch eine dazugehörende Siechenkapelle samt Friedhof. So bildeten die Leprösen eine Art religiöse Gemeinschaft mit festen Regeln und Strukturen. AUSSERHALB DER STADT AN DER HAUPTSTRASSE BERN-ZÜRICH Der Standort des Siechenhauses widerspiegelt die Absicht der Einrichtung. Durch Wald und Emme von der Stadt getrennt, soll die Ausbreitung der anste­ ckenden Krankheit vermieden werden. Indem das Siechenhaus aber an einer damals bedeutenden und stark frequentierten Verkehrsachse gebaut wurde, schuf man den Aussätzigen die Möglichkeit, ihren Unterhalt durch Betteln zu bestreiten. Die Überreste dieser mittelalterlichen Hauptstrasse sind noch heute als Feldweg, der zwischen Siechenhaus und Kapelle hindurchführt, zu erkennen. Dank dem sogenannten Bettelrecht standen den Aus­ sätzigen diese Almosen ausdrücklich zu. Dafür muss­ ten sie aber Abstand von den Gesunden halten, sich durch besondere Kleidung hervorheben und die sich nähernden Passanten und Reisenden mit akustischen Warnsignalen mittels Glocken und ähnlichem warnen. DAS HEUTIGE GEBÄUDE ENTSTAND 1506 / 08 Das heute erhaltene Siechenhaus stammt aus den Jahren 1506 / 08 und fällt damit in die Zeit des Neu­ baus der Stadtkirche, was für die Qualität des profes­ sionellen Aussenbaus vermutlich entscheidend war. Denn es ist anzunehmen, dass ein professionelles Bauteam, wie es am Neubau der Kirche beteiligt war, auch die Mauern des Siechenhauses mit ihren ver­ setzten Sandsteinquadern aufbaute. Demgegenüber Rekonstruktion des Innen­ ausbaus um 1510 Das Siechenhaus war wie eine Lebensgemeinschaft aufgebaut. Die Kranken hatten ihre eige­ nen Kammern. Daneben gab es zur gemeinschaftlichen Nut­ zung Räume mit medizinischer Funktion wie die Badestube oder die Schwitzstube. Als Gemeinschaftsraum gab es die Conventstube. Zudem gab es Vorratskammer, Keller, Schopf, Küche und eine Stube für die Köchin. Vor dem Haus, direkt an der Hauptstrasse stand der Opfer­ stock, wo Reisende ihre «Spen­ de» einwerfen konnten. Visualisierung: Archäologischer Dienst des Kantons Bern

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